2.1.2   Das Bankhaus Ephrussi


Der Auftrag für das Bankhaus Ephrussi stellt im Werk Liane Zimblers durch seinen Umfang eine Besonderheit dar. Diese Aufgabe bedeutete außerdem die erste Gelegenheit für Zimbler, sich auf einem Gebiet zu profilieren, das sie in Zukunft oft betreten würde: Sie wurde mit umfassenden Umbaumaßnahmen betraut. Anstelle von Neubauten wurden damals häufig Umwandlungen an bestehenden Gebäuden vorgenommen. Besonders auf dem privaten Sektor war die Neubautätigkeit während der Wirtschaftskrise auf ein Minimum beschränkt. Die Ziele bei diesem Auftrag waren sowohl die Erweiterung des Bankgebäudes als auch teilweise dessen Nutzungsänderung.

In der Akte der zuständigen Baubehörde für den neunten Wiener Bezirk wird das Gebäude in der Wasagasse 2 im Jahr des Baubeginns 1872 erstmals erwähnt. Bis 1879 entstand ein Palais im Stil der Neorenaissance des Architekten Heinrich von Ferstel[1] (Abb. 1/2). Als Liane Zimbler 1922 das erste Mal mit Umbaumaßnahmen beauftragt wurde, hatte es bereits mehrere Besitzerwechsel und Veränderungen erfahren. Zu diesem Zeitpunkt ist die „Erste Brünner Maschinen-Fabriks-Gesellschaft“ als Eigentümerin eingetragen. Als Bauherrin tritt die „Wasa Hauskaufgesellschaft m. b. H.“ auf.

Erste Schritte sind aus den Plänen vom Juni 1922 für einen Mansardeneinbau ersichtlich (Abb. 3). Ziel ist die Umwandlung des ehemaligen Dachbodens in drei Wohnungen. Große Teile der tragenden Wände werden erneuert und erhöht. Leichte Wände ergeben die neue Raumaufteilung. Mauerdurchbrüche für die zukünftigen Türen sind ebenfalls zu erkennen. Bereits im Juli ändert Zimbler die Pläne: Aus dem Mansardeneinbau wird eine Aufstockung um eine Etage, was an der Schnittzeichnung nachvollziehbar ist (Abb. 4). Der Grundrissvergleich zeigt die Umwandlung des ehemaligen Dachgeschosses in die zukünftigen Wohnungen (Abb. 5/6). Auf dem Grundrissplan der Aufstockung erkennt man eine doppelläufige Treppe, die zum Dachgarten führt (Abb. 7). Dort war auch eine kleine Brunnenanlage vorgesehen. Zeichnungen zur Planung des Dachgartens und des Brunnens sind in der Bauakte nicht auffindbar, jedoch Teil des Nachlasses im IAWA.[2]

Zeichnerisch und schriftlich dokumentiert ist die Überbauung des Hofes mit einem Drahtglas-Dach. Hier plant Zimbler die Kassenhalle des Bankhauses (Abb. 8). Ein Vergleich der Grundrisspläne macht die Veränderungen im Erdgeschoss deutlich: Das Büro, das links an diese Halle angrenzt, wird zur „Hausbesorgerwohnung“, von deren Verlegung in der Baubewilligung die Rede ist. Wo sich diese Wohnung vorher befand, ist aus dem Material nicht ersichtlich. Weitere Maßnahmen dieses Bauabschnitts sind die Verlegung des Personenaufzuges aus dem früheren Hof ins Treppenhaus, neue Toiletten, der Ersatz der Kellerabgangsrampe durch eine Treppe und eine Verbindungstreppe zum zweiten Treppenhaus (Abb. 9/10). Am 14. Juni 1923 wird die „Benützungsbewilligung“ des Magistrats Wien, Abteilung 36 erteilt.

Im folgenden Jahr erhält die Bauherrin „Wasa-Hauskaufgesellschaft“ die Bewilligung, Zimbler den Auftrag für den Tresor- und Zentralheizungseinbau im Keller zu erteilen. Die Pläne hierfür stammen bereits aus dem Jahr 1922. Auf dem Grundriss für den Tresoreinbau ist außerdem die geplante Kanalauswechslung verzeichnet. Der bisherige Hauskanal wird abgerissen und an seiner Stelle eine Steinzeugrohrleitung verlegt. In eine der mittleren Mauern des Hauses wird ein Schacht für den Kamin gestemmt (Abb. 11).

In den nächsten zehn Jahren werden laut Akte keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Einem Bescheid des Magistrats vom 6. April 1934 ist zu entnehmen, dass der Bewohner Heinrich Ornstein Veränderungen an der im dritten Stock gelegenen Wohnung Nr.10 vornehmen lassen möchte. Durch das Einziehen neuer Trennwände wird die zuvor großzügige Wohnung zugunsten einer Kanzlei mit den notwendigen Nebenräumen umge-

staltet. Zimblers Name taucht im Zusammenhang mit dieser Umwandlung nicht auf, obwohl es eine sehr typische Aufgabe für sie gewesen wäre. Stattdessen findet sich die Unterschrift „F. Augenfeld“, möglicherweise Felix Augenfeld, der später noch kurz erwähnt wird (s. „Wohnungswanderungen“) und mit Liane Zimbler befreundet war.

Die Bewilligung vom 3. Februar 1938 für eine Wohnungsteilung geht wieder an die Planverfasserin Liane Zimbler. Dass sie nach 1924 erneut als Architektin in der Wasagasse hinzugezogen wurde, war bisher nicht bekannt. Sie wandelt die ehemalige Wohnung 5/6 im Mezzanin in drei kleinere Wohneinheiten um. Dabei gewinnt sie die Fläche des bisherigen Lichthofes durch Einziehen von Eisenträgern hinzu. Das Glasdach wird abgetragen. Durch Vermauern von Öffnungen und das Aufbrechen von Wänden an anderer Stelle entstehen neue Zugänge. Zusätzliche Trennwände setzt Zimbler relativ sparsam ein, vielleicht um den Charakter der ehemals großbürgerlichen Wohnung nach Möglichkeit zu erhalten. Außerdem plant sie neue Bäder und Toiletten (Abb. 12/13). Da sie im Sommer 1938 ins Exil flüchten musste, ist fraglich, ob sie die Ausführung des Projekts noch selber geleitet hat.

Nach der „Kriegsschadensbegehung“ 1947 wurden die Wohnungen wieder instandgesetzt, ihr Anteil innerhalb des Hauses aber zunehmend reduziert. Von 1996 an ist die „Wasa-Leasing G. m. b. H.“ Bauherrin. Heute wird das Gebäude ausschließlich für Bürozwecke genutzt. Das Betreten ist nur noch Mitarbeitern gestattet. Beim Versuch, Zutritt zu erhalten, teilte eine weibliche Stimme über die Sprechanlage mit, dass das nicht möglich sei. Durch Zufall gelang es trotzdem, wenigstens in die Halle und einen Seminarraum - den ehemaligen Hof und Kassensaal - Einblick zu bekommen (Abb. 14/15). Die Annahme, dass von Liane Zimblers Baumaßnahmen nichts mehr nachzuvollziehen ist, konnte also nur dort überprüft werden. Die Verkleidung der Aufstockung ist mit historischen Abbildungen des Zimbleraufbaus verglichen eindeutig neueren Datums (Abb. 16/17). Die Entwurfsstufen der Umbaumaßnahmen am Bankhaus Ephrussi zeigen, dass Zimbler keine Scheu hatte, große Eingriffe vorzunehmen, wo es ihr für eine bessere oder andere Nutzung notwendig erschien. Dabei behielt sie jedoch den Blick für den Gesamteindruck und den Zusammenhang einzelner Schritte mit dem vollständigen Projekt.


Abbildungen Kapitel 2.1.2

 

Abb. 1:           Lageplan Bankhaus Ephrussi 1922,

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 2:           Ansicht Wasagasse 1922

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 3:           Schnitt Mansarde 1922

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 4:           Schnitt Aufstockung 1922

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 5:           Grundriss DG 1872

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 6:           Grundriss Aufstockung 1922

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 7:           Grundriss DG 1922

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 8:           Ansicht Hofüberbauung 1922

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 9:           Grundriss EG 1872

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 10:         Grundriss EG 1922

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 11:         Grundriss KG 1922

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 12:         Grundriss Mezzanin 1872

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 13:         Grundriss Mezzanin 1937

Quelle: Archiv Baupolizei IX. Bezirk Wien

Foto vergrössern!

 

Abb. 14:         Eingangshalle 2002, Quelle: privat C. Gräwe

Foto vergrössern!

 

Abb. 15:         Seminarraum 2002, Quelle: privat C. Gräwe

Foto vergrössern!

 

Abb. 16:         Ansicht 1920er Jahre, Quelle: privat M. Boeckl

Foto vergrössern!

 

Abb. 17:         Ansicht 2002, Quelle: privat C. Gräwe

Foto vergrössern!


[1] H. v. Ferstel (1828-1883) hat mit Gebäuden hauptsächlich im Stil der Neorenaissance Spuren in Wien hinterlassen. Allein für den I. Bezirk entwarf er prägende Bauten wie das Palais Ferstel (ehemalige Österreich-Ungarische Nationalbank, 1856), das Gebäude, das heute Universität und Museum für angewandte Kunst beherbergt (1867), und die Universität (1873).

[2] Siehe „Ein Leben, zwei Karrieren“ in „Visionäre & Vertriebene“, S. 296




 
Text als ZIP Datei herunterladen
Grösse 50 KB
 
Fotos als ZIP Datei herunterladen
Grösse 20 MB
 
zurück zum Inhaltsverzeichnis
 
zum nächsten Kapitel