2.2.3   Modernisierungen


Ein weiteres Aufgabenfeld Liane Zimblers war die Anpassung von Inneneinrichtungen an den sich verändernden Geschmack.

Ein Beispiel dafür ist die Modernisierung eines Schlafzimmers 1934, ebenfalls in Wien. Das aufwändig dekorierte Zimmer von 1910 entsprach 25 Jahre später nicht mehr den Vorstellungen der Zeit und der Bewohner. Außerdem war es mittlerweile zum Hauptaufenthaltsraum der Frau des Hauses geworden, da der ehemalige Salon zum Kinderzimmer umfunktioniert worden war. Für diese Mehrfachnutzung war der Raum nicht praktisch genug eingerichtet. Eine Besonderheit stellt hier die Weiterverwendung und Umnutzung bereits vorhandener Möbel dar (Abb. 1/2/3/4).

Die Möbel sind von guter Qualität, so dass es nicht nötig ist, sie durch Neuanschaffungen zu ersetzen. Das Holz wird abgezogen, frisch gebeizt und poliert. Schmuckelemente an den Möbeln verschwinden. An die dem Fenster gegenüberliegende Wand werden die beiden vorhandenen Schränke gestellt und mit einer neuen Einteilung und Erhöhung bis zur Decke versehen. Preiswerte Ergänzungen aus Fichtenholz werden vor eine nicht benutzte Tapetentür gestellt, davor über die gesamte Breite des Zimmers ein heller Seidenvorhang gezogen, der farblich auf die Wände abgestimmt ist. Unter den Fenstern erkennt man brüstungshohe Schränke. Da die Sockel des Doppelbettes gekürzt werden, um es weniger dominant erscheinen zu lassen, bleibt Holz zur Weiterverwendung übrig. Die Betten selbst werden aus der Achse des Zimmers geschoben. Dadurch entsteht genug Platz für eine Kombination aus Kommode und Toilettentisch. Für dieses Möbel werden nicht mehr benötigte Schubladen des alten Toilettentischs und ein überflüssiges Nachtkästchen verwendet. Eine durchlaufende weiße Linoleumplatte hält es zusammen. Ein Teil des alten dreiteiligen Spiegels wird zum neuen. Der Teppich, der vorher über der Ottomane lag, wird zum „Prunkstück“ des Wohnzimmers befördert, während die Ottomane selbst einen neuen Bezug erhält - eine der wenigen Neuerungen. Die Bettdecke ist ebenfalls neu, die alte zu Vorhängen umgearbeitet. Selbst die verzierte Alabasterlampe an der Decke wird beibehalten, nachdem die Bronzebeschläge entfernt wurden und sie so der Schlichtheit des gesamten Zimmers entspricht. Obwohl das Schlafzimmer nach dem Umbau neben seiner alten Funktion zusätzlich als Arbeits- und Aufenthaltsraum für die Frau des Hauses dient, wirkt es beim Vergleich der Grundrisse nicht voller als vorher.

Zum Thema Modernisierung schreibt A. S. Frischauer:

 

„Das Inventar des traditionellen Schlafzimmers muss sich die eingehendsten Veränderungen gefallen lassen. Auch minder radikale Gemüter nehmen - im wahren Sinn des Wortes - an der aufdringlichen Barrikade der Doppelbetten in der Zimmermitte, an der ausdruckslosen Zwillingsphysiognomie von zwei, Seite an Seite gerückter Schränke Anstoß. Die symmetrischen Nachtkästchen, die sogenannte >Psyche< als Ankleidetisch, sie beschließen ein Möbelalphabet, das dem modernen Menschen allmählich zu Geheimzeichen wird, die er ablehnt.“ [1]

 

Liane Zimbler hat, wo es auf Grund des begrenzten Raumes vorteilhaft war und die Nutzbarkeit steigerte, Gewohnheitsänderungen gefordert. Sie beeinflusste dadurch Seh- und Lebensvorstellungen. Das machen die kombinierten Zimmer beziehungsweise Wohnungen deutlich, in denen sie mit der traditionellen Aufteilung Schlafraum/Essraum beziehungsweise später Schlafraum/Wohnraum brach. Bei herrschaftlichen Wohnungen, die ausreichend Platz für die einzelnen Funktionen boten, wandte sie dieses Mittel nicht an.

Eine weitere Gelegenheit, Räume um- oder in diesem Fall aufzuwerten, boten Dielen und Flure der bürgerlichen Vorkriegs-Wohnungen. Zimbler war der Meinung, dass sie die „Visitenkarte“ einer Wohnung darstellten und nicht die „gute Stube“. Schließlich werde hier beim Betreten der Wohnung der erste Eindruck vermittelt. Zimbler-typisch sollten die zu Nebenräumen degradierten Durchgänge nicht nur dekorativ gestaltet werden, sondern auch benutzbar sein. Dabei war sie meist mit schlauchartigen und dementsprechend schwierigen Grundrissen konfrontiert.

So auch bei der Wohnung B. in Wien um 1932: Aus einem vernachlässigten schmalen Korridor wird ein zusätzlicher Wohnraum. Man kann davon ausgehen, es mit einem hellen Raum zu tun zu haben. Der Grundriss zeigt mehrere Fenster und den Zugang zu einem Südbalkon (Abb. 5). Zimbler schafft in Form einer Wand aus mattem Glas und einem quergestellten halbhohen Schrank Unterteilungen. Auf dem Grundriss, der den neuen Zustand zeigt, erkennt man, dass dieser Schrank erstens den unattraktiven Gaszähler integriert und zweitens den Rücken einer Sitzgruppe bildet (Abb. 6). Einen Teil der Glaswand nutzt Liane Zimbler, um Pflanzen unterzubringen. Der Durchgang zum Rest der Wohnung kann mit einem Vorhang verschlossen werden (Abb. 7).

Zimblers gekonnter Umgang mit Pflanzenarrangements vermittelte ihr zwei Aufträge zur Gestaltung von Blumengeschäften. Eines davon war die Blumenhandlung Gebhard & Füssel von 1935 in der Walfischgasse. (Abb. 8) Die Aufgabenstellung und den Realisierungsprozess beschreibt Liane Zimbler selbst in dem Artikel „Eine moderne Blumenhandlung“.[2] Neben der Gestaltung des Schaufensters und Verkaufsraumes musste ausreichend Arbeitsplatz zum Schneiden und Arrangieren der Pflanzen vorgesehen werden. Der Laden - „ehemals ein Automobilverkaufsraum“ - hatte einen schmalen, langen Grundriss und erhielt lediglich durch das Schaufenster und drei darüber gelegene Fenster Licht. Die Straßenfront wurde durch zwei Pfeiler, deren Entfernung nicht möglich war, eingeengt. Zimbler erweitert die Schaufensterfläche, indem sie den Eingang von der Mitte nach links verlegt und ihn wie eine kleine Glaspassage gestaltet. Durch die Wahl der gleichen Fliesen für die Blumenpodeste des Schaufensters und des Innenraumes schafft sie eine optische Verbindung. Um den Gartencharakter zu unterstreichen, wählt Zimbler Mauerziegel für den Fußboden. Außerdem unterteilt sie den Raum mit einem zeltartigen, weiß-gelb gestreiften Segel. Die Abtrennung zum Arbeitsraum im hinteren Teil des Ladens besteht aus einer matt geschliffenen Glaswand. Spiegel aus der ehemaligen Ladeneinrichtung verwendet Liane Zimbler weiter: Sie fügt einen schmalen Querstreifen in die Wände ein und erreicht so den Eindruck eines breiteren Raumes. Die Blumenhandlung Gebhard & Füssel existierte noch bis ungefähr 1990.

Der größte Teil von Zimblers Aufträgen betraf zwar Einrichtungen, die ganz oder zum Teil für Wohnzwecke bestimmt waren. Die entsprechenden Beispiele zeigen ihren flexiblen Umgang mit Aufgaben in diesem Bereich. Beispiele wie das des Blumenladens Gebhard & Füssel sprechen jedoch auch für die Leichtigkeit, mit der sie ihr Gespür für Raumproportionen, deren sinn- und zugleich wirkungsvolle Aufteilungen und schließlich die Möblierung auf andere Gebiete ausdehnte.


Abbildungen Kapitel 2.2.3

 

Abb. 1:           Schlafzimmer Grundriss 1910,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 2:           Schlafzimmer Grundriss 1934,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 3:           Schlafzimmer 1910,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 4:           Schlafzimmer 1934,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 5:           Grundriss Wohnung B. vorher,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 6:           Grundriss Wohnung. B. nachher um 1932,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 7:           Vorraum Wohnung B. nachher um 1932,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 8:           Blumenhandlung Gebhard & Füssel 1935

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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[1] Aus „Das `verjüngte´ Schlafzimmer“ in „Die Kunst“, S. 138, März 1932

[2] In „Österreichische Kunst“, Heft 11, S. 10f, 1935




 
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