2.2.6   Resonanz und Erfolg


Von dieser allmählichen Hinwendung zumindest eines Teils der potentiellen Auftraggeber zur modernen Formensprache profitierte Liane Zimbler. Sie trug auch mit ihren Entwürfen kontinuierlich dazu bei. Bei ihren Klienten und auch in der Presse wurden ihre Ideen positiv aufgenommen. Die Allgemeinheit war jedoch noch nicht zu modernen Bau- und Einrichtungsformen „bekehrt“.

 

Liane Zimbler stellte dazu fest:

 

„Eine Unzahl erster Fachleute denkt heute darüber nach, wie der kleine und mittlere Haushalt am billigsten und zweckmäßigsten ausgestattet werden kann. In vielen Ausstellungen sind einfache, praktische und dabei hübsche Einrichtungen zu sehen. In der Praxis haben diese Bestrebungen leider nur wenig Erfolg.“ [1]

Diese Beobachtungen bestätigen Zimblers Auffassung von schlichter Innenraumgestaltung und der Verbindung praktischer Aspekte mit ästhetischen, um den Bedürfnissen nach einem funktionierenden Haushalt und gleichzeitig nach Behaglichkeit gerecht zu werden. Zimbler beklagte die weiterhin herrschende Vorliebe für „glänzende Beschläge mit Röschen und Kränzchen“ [2], deplatzierte geschliffene Spiegel, Lampen mit bunten Glasfransen. Sie schrieb weiter:

 

„Vielen Menschen liegt die Anbetung des `Prächtigen´ noch im Blute; die Ausrede lautet dann immer: `Helle Räume wirken kahl und nüchtern und die glatten modernen Möbel unterliegen so sehr der Mode!´ Dieses Beharren beim vorgestrigen ist unsinnig.“[3]

 

Der Skepsis gegenüber den neuen Möglichkeiten war sich Liane Zimbler also bewusst. Trotzdem oder gerade deshalb vertrat sie weiterhin ihre Vorstellungen und konnte Auftraggeber durch gelungene Beispiele überzeugen. Über Mangel an Arbeit konnte sich Zimbler trotz der Feststellung, dass noch viel Pionierarbeit zu leisten sei, nicht beklagen. Sie gehörte zu den Meistbeschäftigten ihrer Branche. Das ist vor allem vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Depression ab 1929 bemerkenswert. Viele ihrer Kollegen und Kolleginnen litten unter Arbeitslosigkeit.

Ein Grund für Zimblers Erfolg war der Umgang und das meist gute Verhältnis mit ihren Klienten. Sicher wurde sie gerne weiter empfohlen und hat sich im Lauf der Zeit unter den Aufgeschlossenen und „Lernfähigen“ ein kleines, aber funktionierendes Netzwerk erarbeitet. Ihre Sicherheit im Umgang mit Raumgestaltung von der Gesamtwirkung bis zum Detail hatte sie bekannt gemacht. Die Ausstellungs- und Dozententätigkeit trug zu ihrer Popularität bei.

Was an Zimblers Erfolg ebenfalls großen Anteil hatte, war die Strukturierung ihres Büros. Sie war keine Einzelkämpferin, sondern eine kommunikative Teamarbeiterin. Mit ihr zusammen erarbeitete ein Stamm erfahrener Künstlerinnen die Entwürfe. Annie Herrnheiser als Büroleiterin in Prag und Marie Strauß-Likarz wurden bereits genannt. Ein typisches Beispiel für die Möbel-Malerei Strauß-Likarz´ ist eine Kommode, die 1931 in der Wohnung Meier (Wien) Verwendung fand (Abb. 4). Hertha Bucher entwarf Öfen und Keramikarbeiten. Beide waren auch Künstlerinnen der Wiener Werkstätte. Anna Weil-Kuhn und Lilly Hahn waren für Bastarbeiten zuständig. Anny Schantroch übernahm als Webkünstlerin die „Stoffabteilung“ und Ninetta Wandruska-Steindl entwarf Lampen. Fast alle waren ehemalige Kommilitoninnen Zimblers von der Kunstgewerbeschule. Hier traf also wieder das zu, was Liane Zimbler als Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Bauherren hielt, nämlich, dass man sich gut kannte. Dementsprechend war ein ständiger Austausch bis zum konstruktiven Streit möglich. Zimbler beschäftigte ausschließlich Mitarbeiterinnen, um dazu beizutragen, Frauen Gelegenheit zu einer Anstellung und anspruchsvollen Tätigkeit zu geben.

Plakolm-Forsthuber vermutet als weiteren Grund für die gute Auftragslage, dass Liane Zimbler zu den zielstrebigen und durchsetzungsstarken Frauen gehörte. (Andere taten sich schwerer, den beschriebenen Widerständen zum Trotz eigenständig und erfolgreich zu arbeiten.) Zimblers Erfolg spricht dafür, dass diese Einschätzung zutrifft.

Umso verwunderlicher ist es, dass von den damals erfolgreichen Künstlerinnen heute kaum eine bekannt ist. Unter den Architektinnen Österreichs ist Margarete Schütte-Lihotzky als einzige berühmt geworden. Schütte-Lihotzky und Zimbler waren gleichermaßen aktiv und bei ihren Zeitgenossen anerkannt. Ersterer wurden beste Empfehlungen ausgesprochen, und nicht ohne Grund holte Ernst May sie 1927 für eine verantwortungsvolle Aufgabe nach Frankfurt.[4] Dennoch dauerte es in ihrem Fall sehr lange, sie dauerhaft einem breiten Publikum bekannt zu machen. Zu Unrecht wurde Schütte-Lihotzkys Leistung als Architektin lange auf das Schlagwort „Frankfurter Küche“, deren perfektionierte Fassung im Reformwohnungsbau Frankfurts ab 1927 zum Einsatz kam, reduziert. Liane Zimbler war als Architektin und Innenarchitektin sowohl in Wien als auch im kalifornischen Exil durch ihre rege Tätigkeit präsent. Heute bringt man sie nicht mehr mit der Entwicklung des modernen Bauens in Verbindung. Eine Erklärung allein in der Tatsache zu suchen, dass sie zu den Flüchtlingen gehörte, die nach 1945 in Österreich keine Rehabilitierung erfuhren, reicht nicht aus. Auch in den USA ist sie mittlerweile vergessen. Ein weiterer Grund dafür, dass Zimbler nach ihrem Rückzug aus der Architekturpraxis in Vergessenheit geriet liegt darin, dass sich die meisten Zeugnisse ihrer Arbeit im Inneren von (privaten) Häusern befinden. Dadurch sind ihre Entwürfe schwer zugänglich und unauffälliger als markante Gebäudeentwürfe.


Abbildungen Kapitel  2.2.6

 

Abb. 4:           Kommode M. Strauß-Likarz für Whg. Meier um 1931,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

Foto vergrössern!


[1] Aus Liane Zimbler: „Die Mittelstandswohnung von gestern und heute“ in: „Die Österreicherin“, 1930

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] In einem Zeugnis schreibt Adolf Loos: „Ich kann Frl. Lihotzky, die auch durch ihren Fleiß und Genauigkeit viele ihrer männlichen Kollegen in den Schatten stellt, auf das Angelegentlichste jedermann empfehlen.“ In: „Margarete Schütte-Lihotzky – Soziale Architektur – Zeitzeugin des Jahrhunderts“, S. 21




 
Text als ZIP Datei herunterladen
Grösse 58 KB
 
Fotodownload in Kapitel 2.2.7
 
zurück zum Inhaltsverzeichnis
 
zum nächsten Kapitel