2.2.7   Das Ende der Wiener Zeit


Liane Zimbler hatte ihre Laufbahn als Architektin mit dem Bau von Häusern begonnen. Zwischenzeitlich war sie überwiegend als Innenarchitektin tätig. Es entstanden in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen kaum private Neubauten. Wohlhabende Bauherren gab es wenige. Eine Ausnahme waren die Besitzer eines Warenhauses, die Familie Plaček in Brünn. Für deren Villa übernahm Zimbler 1937 Umbauten und die Inneneinrichtung. Verschiedene Veröffentlichungen unterstreichen wieder ihren Sinn für die Klarheit der Grundrissgestaltung und die unaufdringliche Eleganz der Möbel. Der anonyme Autor des Artikels „Wohnräume einer Wiener Architektin“[1] beschreibt die Diele dieser Villa vor der nach oben führenden Treppe. Durch das schlichte Gitter aus Rundhölzern ergibt sich eine transparente Raumteilung. Die Diele wird durch eine Sitzgruppe und die angrenzende Bar vom reinen Durchgang zu einem Raum mit Aufenthaltsqualität befördert (Abb. 5/6). Hervorgehoben wird auch das Zimmer des Sohnes wegen der schlichten Möbel und der praktischen Lösung des quer gestellten Schlafsofas. Es ist zum Raum mit einer Kombination aus halbhohem Schuh- und Bettschrank abgetrennt. Dessen oberer Abschluss dient als Ablagefläche. Der Wintergarten - „ein Lieblingsmotiv der blumenliebenden Architektin!“ [2] - besteht aus einer hellgrün lackierten Eisenkonstruktion. Zwischen äußerer und innerer Glaswand ist auf einem 80 cm breiten Streifen Platz für Pflanzen. Wie in der Blumenhandlung Gebhardt & Füssel ist diese Fläche mit hellgrünen Fliesen ausgelegt. Um den gartenartigen Charakter des Raumes zu unterstützen, verwendet Zimbler Möbel aus Peddigrohr und naturfarbenen, handgewebten Stoff für die Vorhänge (Abb. 7).

Mit ihrem letzten Auftrag in Österreich schloss sich ein Kreis: Er betraf wieder den Entwurf für ein gesamtes Haus. In Tirol entwarf Zimbler das Haus Gnadenwald für den Schriftsteller Walter Eidlitz. Das Gebäude steht noch heute. Auf der Abbildung erkennt man, dass sich Zimbler hier am traditionellen, alpenländischen Baustil orientiert hat (Abb. 8). Innenaufnahmen existieren nicht. Sie hat das fertiggestellte Haus nicht mehr gesehen.

Spätestens 1938 wurde den Zimblers bewusst, dass die Gefahr durch den Nationalsozialismus zu groß wurde, um als jüdische Familie in Wien bleiben zu können.

Bevor die Familie Zimbler kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs ins Exil ging, nahm Liane Zimbler noch eine berufliche Hürde. Um sich offiziell „Architekt“ nennen zu dürfen und wohl auch, um ihre Arbeitschancen im Ausland zu erhöhen, legte sie am 21.02.1938 als erste Österreicherin die „Zivilarchitektenprüfung“ ab. Sie war zu diesem Zeitpunkt 46 Jahre alt und seit 20 Jahren als Architektin tätig. Vor dem Hintergrund der anti-jüdischen Kampagnen und Übergriffe, die in Österreich und speziell Wien längst Alltag waren, ist es erstaunlich, dass Zimbler als Jüdin die Prüfung zu diesem Zeitpunkt noch ablegen konnte.

Bereits einige Wochen später wurde mit den „Arisierungsverordnungen“, wie der „Ausschulung“ jüdischer Schüler, der Enteignung von Geschäften und Privatvermögen, des Verbots zur Berufsausübung, der Aberkennung akademischer Titel und weiteren bekannten Diskriminierungen begonnen. Die „Nürnberger Rassengesetze zur Definition eines „Juden“ übernahm Österreich am 20.05.1938. Das Ziel formulierte der „Völkische Beobachter“ bereits am 26.04.1938:

 

„Bis zum Jahre 1942 muß das jüdische Element in Wien ausgemerzt und zum Verschwinden gebracht sein.“ [3]

 

Eine weitere Einrichtung war die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien“, geleitet von Adolph Eichmann. Die institutionalisierte Vertreibung ließ die Zahl der Flüchtenden bereits im September 1938 auf 10.000 steigen. Bis 30.11.1939 sollten es 126.445 werden und das, obwohl vielen die wirtschaftliche Existenz entzogen worden war, trotz hoher Reisekosten, Einwanderungsquoten und anderer Erschwernisse. Der Unterschied zu früheren Emigrationswellen war, dass nunmehr eine akute Lebensbedrohung bestand, die ein scheinlegal funktionierender politischer Apparat ermöglichte.

Ein Auftrag Zimblers in Riga (der nicht zustande kam) wurde als Ausreisegrund angegeben. Die Bewilligung erhielt Familie Zimbler innerhalb kurzer Zeit. Das erste Ziel war London. Liane Zimbler wollte zunächst dort bleiben, hatte auch bereits berufliche Kontakte geknüpft. Otto Zimbler überzeugte sie, nach Amerika auszuwandern, da ihm England wegen des drohenden Krieges nicht sicher genug schien. Ein Visum für die USA zu bekommen, erwies sich als relativ problemlos. Zwar gab es nach wie vor die Quotenregelung, die Quote für österreichische Einwanderer war jedoch noch nicht ausgeschöpft.[4] Am 10.09.1938 traf Familie Zimbler in New York ein. Unter anderem beeinflusst durch Ada und Heinrich Gomperz, ihre bereits 1935 ausgewanderten Freunde, ließen sie sich in Los Angeles nieder.


Abbildungen Kapitel 2.2.7

 

Abb. 5:           Diele Haus Placek 1937,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

Foto vergrössern!

 

Abb. 6:           Zeichnung Diele Haus Placek 1937,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

Foto vergrössern!

 

Abb. 7:           Wintergarten Haus Placek 1937,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

Foto vergrössern!

 

Abb. 8:           Haus Gnadenwald 1938,

Quelle: “Visionäre & Vertriebene“ S. 303

Foto vergrössern!


[1] In: „Innendekoration“, S. 23ff, Darmstadt 1938

[2] Aus „Eine Villa in Brünn von Arch. Liane Zimbler“, aus: „Österreichische Kunst“, Heft 7, S. 11, 1937

[3] Aus G. Botz, I. Oxaal, M. Pollak (Hrsg.): „Eine zerstörte Kultur. Jüdisches Leben und Antisemitismus in Wien seit dem 19. Jahrhundert“, S. 288

[4] Die Einwanderungsvoraussetzungen der USA waren bis 1917 relativ einfach zu erfüllen, da europäische Fachleute im Bausektor begehrt waren. Danach nahm die Beliebtheit deutschsprachiger Einwanderer deutlich ab. Es wurden staatsbürgerliche Erziehungsprogramme eingeführt, um den Amerikanisierungsprozess der Immigranten zu beschleunigen. Ab 1921 regelte der sogenannte „Johnson Act“ die Zahl der bewilligten Einwanderungen mit einer bestimmten Quote pro Land. Außerdem bestand ab 1924 Visa-Pflicht. Bessere Chancen hatten diejenigen, die eine persönliche Einladung mit der Bürgschaft, dass sie dem Staat nicht finanziell zur Last fallen würden, erhielten. Nach dem wirtschaftlichen Einbruch 1929 stellten die USA vorübergehend keine vielversprechende Alternative mehr dar. Für die Verfolgten des Dritten Reichs standen nicht wirtschaftliche Motive im Vordergrund, sondern die Möglichkeit, durch Flucht ihr Leben zu retten. Amerika wurde erneut ein wichtiges Ziel.




 
Text als ZIP Datei herunterladen
Grösse 72 KB
 
Fotos als ZIP Datei herunterladen
Grösse 18 MB
 
zurück zum Inhaltsverzeichnis
 
zum nächsten Kapitel