3          Leben und Werk Liane Zimblers im Exil

Liane Zimbler machte sich im kalifornischen Exil bereits wenige Jahre nach ihrer Ankunft mit einem Atelier für „Interior Design“ erneut selbstständig. In Los Angeles stammte der Großteil von Liane Zimblers Aufträgen wiederum von Privatkunden. Für den Wiener Exilanten Ernst Toch errichtete sie Anfang der 40er Jahre ein Wohnhaus. Alle weiteren Aufträge umfassten Innenraumgestaltungen, wobei sie häufig mit den Architekten der Häuser eng zusammen arbeitete. Über den Bereich der privaten Aufträge hinaus, nahm Zimbler wie in Österreich an Ausstellungen teil. Mit Vorträgen engagierte sie sich im Clubleben und unterrichtete Studenten. Trotz ihrer anfänglich schwierigen Situation im Exil, baute sie sich nach einigen Jahren erneut einen Kundenkreis auf und fasste Fuß im gesellschaftlichen Leben. Die Kombination aus Erfahrung und Experimentierfreudigkeit erklärt, dass Zimbler nach relativ kurzer Zeit auch in den USA erfolgreich arbeitete.

Da aus Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg die Aufforderung zurückzukehren ausblieb und auch keine andere Geste, wie die Erteilung eines Auftrags oder die Einladung zu einem Vortrag erfolgte, betrat Liane Zimbler österreichischen Boden nicht mehr.

Vor der genaueren Betrachtung ihrer amerikanischen Arbeiten, wird der Hintergrund, vor dem Zimbler den Neubeginn ihrer Karriere unternahm, beleuchtet.

 

3.1      Rahmenbedingungen

 

3.1.1   Situation der (Architekten-) Exilanten

Den Großteil der Exilanten erwartete im Gastland zunächst eine ungewisse Lage, nicht selten der Kampf um die bloße Existenz. Das traf diejenigen, die ohnehin schon unterprivilegiert in ein Land fliehen mussten, dessen Sprache sie nicht beherrschten und wo sie ohne Kontakte waren, am härtesten.

Mit der schwierigen Situation, gezwungenermaßen einen Neubeginn zu versuchen, musste sich die Familie Zimbler auseinandersetzen wie alle anderen Exilanten auch. Gewisse Erleichterungen jedoch genossen sie. Sie waren nicht mittellos gekommen, hatten keine Sprachprobleme und verfügten zumindest über einige Anlaufstellen. Liane Zimblers verschiedene Mitgliedschaften in internationalen Verbänden halfen die Situation zu erleichtern, und ebenfalls ausgewanderte Freunde stellten Kontakte her.

Verflechtungen unter Flüchtlingen waren typisch und wichtig.[1] Bereits etablierte, früher ausgewanderte Architekten beschäftigten nachfolgende. Institutionen wie die New School of Social Research vermittelten neben der Lehre wichtige Kontakte für Emigranten. Die New School of Social Research von 1930 wird als Hauptwerk des 1910/11 ausgewanderten Joseph Urban gewertet. Richard Neutra hielt den Eröffnungsvortrag. Die Schule wurde zu einem wichtigen Treffpunkt für Flüchtlinge. Durch Berufungen wurden gezielt vom Nationalsozialismus bedrohte Lehrer an die Schule geholt.[2]

Auf den zunehmenden Strom von Einwanderern hatten die USA schon ab 1924 mit erschwerten Einreisebedingungen reagiert. Erst ab 1933 wurden gezielt Programme zur Flüchtlingshilfe entwickelt. Sie bauten auf bestehenden Organisationen auf, die - wie zum Beispiel das „National Council of Jewish Women“ (NCJW) seit den 1890er Jahren - bemüht waren, Neuankömmlingen Starthilfe zu geben. Landesweit wurde in den folgenden Jahren ein Netz aus „Jewish social agencies“, Selbsthilfegruppen, berufsorientierten Vereinigungen und ähnlichen Organisationen aufgebaut. Ziel war, die Hilfsprogramme zu professionalisieren, um nicht weiterhin nur punktuell einzugreifen.[3] Hauptthemen der Unterstützung waren finanzielle Fragen und die Sorge um Wohnraum, Arbeitsmöglichkeiten, Gesundheit und Familienzusammenführung. Daneben entwickelten sich Einrichtungen des kulturellen Lebens, die aus dem Alltag als wichtiger Ort der Begegnung und des Austauschs bald nicht mehr wegzudenken waren. Um die Vielzahl der Anliegen und deren Institutionen zu koordinieren, wurden Dachverbände eingerichtet: Das erste Koordinationsbüro wurde 1933 als „Joint Clearing Bureau“ (JCB) gegründet. Ihm angegliedert waren das NCJW, das „American Jewish Committee“ (AJC), die „Hebrew Sheltering and Immigrant Aid Society“ (HSIAS) und andere. Das „National Coordinating Committee“ wurde1934, der „National Refugee Service“ 1939 eingerichtet. Die Finanzierung des wachsenden Netzwerks übernahm ab 1938 der „National Coordinating Committee Fund“. Unter 25 Flüchtlingsorganisationen insgesamt war Ende 1938 nur eine nichtjüdische.

Das Aufkommen professioneller Hilfe beruhte nicht allein auf der wachsenden Zahl jüdischer Flüchtlinge vor dem Hitler-Regime. Durch die wirtschaftliche Depression war allgemein die Bereitschaft zur Schaffung offizieller Hilfsprogramme gewachsen, was man auch an der Politisierung des Wohnungsbaus erkennen kann. Hinzu kam eine andere Komponente: Organisierte Verfolgung von Menschen hatte man in dem Ausmaß noch nicht erlebt.

Bei allem Erfolg der Organisationen verlief die Durchführung der Hilfsmaßnahmen nicht reibungslos. Beispielsweise durch Betrug beim Geldwechsel oder die Erhebung von illegalen Gebühren für angeblich geleistete Dienste wurde Missbrauch betrieben. Sehr sensibel musste auch mit der Fremdenfeindlichkeit umgegangen werden. Diese Tendenzen nahmen aus der Angst um die eigene Situation, die eigenen Arbeitsplätze zu.

Eva Huebscher kann sich nicht erinnern, ob Liane Zimbler Hilfe der genannten Organisationen in Anspruch genommen hat. Ihre Eltern besaßen „ein paar Tausend Dollar“, konnten also die erste Zeit finanziell überbrücken. Mitglied des NCJW, der noch heute existiert, war Zimbler nicht. Sie nahm jedoch wiederholt an dessen Ausstellungsreihe „Living with famous buildings“ teil.[4]

 



[1] Die Vermittlung des Auftrags Ernst Tochs an Liane Zimbler ist ein Beispiel.

(s. Kapitel 3.2.1)

[2] Berufstätige Erwachsene konnten an der New School for Social Research ohne spezielle Zugangsberechtigung studieren. Das Lehrprogramm war zunächst auf Sozialwissenschaften konzentriert und erweiterte sich später um künstlerische Fächer. Das Gebäude ist nicht nur für die Moderne und wegen der organischen Formen im Innenraum für die amerikanische „Streamline-Variante“ bedeutend, sondern durch seinen Sitz mitten in der Stadt eine Neuerung zur Campus-Architektur amerikanischer Universitäten.

[3] Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Organisationen hauptsächlich unmittelbar nach der Ankunft tätig geworden, so zum Beispiel am frequentiertesten Einreiseort, Ellis Island, New York. Die Zustände hier waren, wie man beispielsweise dem Film „Récits d´Ellis Island“ von Robert Bobert und Georges Perec (im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals 2002, Berlin) entnehmen kann, oft menschenunwürdig. Für die nachfolgenden Umstände, unter anderem die häufig schlechtere Behandlung ausgewanderter Arbeiter gegenüber einheimischen, existierte bis 1933 keine offizielle Unterstützung. Siehe dazu L. C. White: „300000 New Americans“, Kapitel I/II.

[4]Telefongespräch mit E. Huebscher vom 28.10.2002; Ausstellungsgegenstand war ein Raum, der speziell um einberühmtes Bild (meist der modernen Malerei) herum gestaltet wurde.




 
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