3.2      Ankunft und erste Schritte

 

3.2.1   Neuorientierung


Gleich nach ihrer Ankunft beantragte Liane Zimbler die amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach Erhalt der sogenannten „First Papers“ und der damals üblichen fünfjährigen Wartezeit wurde ihr die Staatsbürgerschaft 1943 erteilt.

Über die ersten Schritte Zimblers und den Empfang in den USA erfährt man in der Zeitung „Press Telegram“, Long Beach, am 19. März 1939 in einem Artikel mit dem Titel „Viennese Architect is Visitor“:

 

„Madame Liane Zimbler, vivacious and attractive architect, and her learned husband, Dr. Otto Zimbler, visitors in Long Beach yesterday, state they are happy to be in America and have made application for citizenship. They arrived in New York September 10, 1938, and after spending two weeks in the metropolis, journeyed to Washington, D. C. Madame Zimbler, a charter member for ten years of the Vienna Soroptimist Club and a charter member of the International Business and Professional Women´s Club, was feted in both cities by Soroptimists. En route to Los Angeles, where the couple have purchased a home, the sojourners stopped at various points of interest, including the Grand Canyon. It is their first trip to America.”

 

Interessant ist, dass hier wie von einer Urlaubsreise geschrieben wird. Ob nicht an heiklen Themen, wie einem so großen Lebenseinschnitt, die das Exil bedeutet, gerührt werden sollte, oder ob dieser Punkt im Gespräch ausgespart wurde, ist nicht deutlich. Dieser und ähnlich lautende Artikel dienten eher der Werbung für ihre Person, eine Unterstützung, die Liane Zimbler beim Aufbau ihrer zweiten Karriere behilflich war. Für den Artikel „Viennese Architect is Visitor“ wurde Liane Zimbler um einen kulturellen Vergleich gebeten. Ihre Erfahrungen der ersten Monate lassen sie zu dem Schluss kommen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in den USA deutlich besser seien als in Europa. Sie erklärt diesen großen Abstand damit, dass die Klassenunterschiede in Amerika nicht so ausgeprägt seien wie in Europa. Dort könnten die oberen Schichten bequem leben, während die Bediensteten wie Sklaven arbeiteten. Dass ein Arbeiter in unmittelbarer Nachbarschaft eines reichen Mannes wohne, wie sie es in Amerika erlebt habe, sei in Europa undenkbar.

In einer Auswahl weiterer Zeitungsberichte wird das Wort Exil nicht verwendet. Es ist von „Liane Zimbler, formerly of Austria“ die Rede. Andere Berichte gehen konkreter darauf ein, dass ihre Gesprächspartnerin eine Vertriebene aus einem anderen Kulturkreis ist. In einem Zeitungsausschnitt, einem bestimmten Blatt nicht zuzuordnen, wird von einem Vortrag im Rahmen eines Treffens zum Mittagessen des Soroptimist Club am 16.03.1939 berichtet:

 

 

 

 

 

 

 

 

„Madame Zimbler, formerly from Vienna, but now from Los Angeles, talked to the group on `The Private Life of a Business Woman in Europe´. (…) All Austrian Clubs have been disbanded by order of the Fuehrer and the president and vice president of the club in her city were thrown into prison, she stated.”

 

Zimbler stellt fest, dass Arbeitskraft in Europa billiger ist als in Amerika. Deshalb könne sich in Österreich jede Frau, die im Durchschnitt 40 Dollar verdiene, eine Haushaltshilfe leisten. In Österreich behielten berufstätige Frauen ihre Erwerbstätigkeit trotz Ehe und Kindern bei.

Alle bekannten Äußerungen Liane Zimblers zeigen, dass sie ihre genaue Beobachtungsgabe, ihr Interesse am jeweils aktuellen Zustand auf ihre neue Heimat überträgt. Sie bewegt sich dabei allerdings theoretisch und nach kurzer Zeit auch beruflich wieder innerhalb ihres Kreises, der schon teilweise in Wien und mehr noch in Los Angeles aus privilegierten Schichten stammte.

Zunächst musste sie sich die Möglichkeit schaffen, Aufträge zu erhalten. Das Problem wurde drängender, als Otto Zimbler 1940 bei einem Unfall ums Leben kam und sie nun mit der alleinigen Verantwortung für ihre Tochter und der Bestreitung des Lebensunterhalts konfrontiert war.[1] Bereits vom 24.11.1938 datiert ein Brief Zimblers an ihren Landsmann, den Architekten Rudolf Schindler, der zu diesem Zeitpunkt schon 24 Jahre in Amerika lebte und erfolgreich arbeitete. Sie schilderte knapp ihre Situation als Flüchtling aus Wien und bat um ein Gespräch wegen eventueller geschäftlicher Verbindungen. Den Kontakt stellte ein Mitglied des Verbandes berufstätiger Frauen her. Liane Zimbler ist Schindler wahrscheinlich nicht persönlich begegnet. Ob Schindler auf diesen Brief reagierte, ist unbekannt. Einen weiteren Wiener Kollegen, Richard Neutra, der seit 1923 in den USA lebte und ein berühmter Vertreter des International Style geworden war, kannte Liane Zimbler. Die Bekanntschaft rührte aber wahrscheinlich aus späterer Zeit; an ihn wandte sie sich nicht mit der Bitte um Hilfestellung. Zimbler war mit dem Wiener Architekten Rudi Baumfeld befreundet, der mit dem ebenfalls aus Wien geflüchteten Victor Gruen (Viktor Grünbaum) ein sehr erfolgreiches Büro führte. Über eine geschäftliche Verbindung im Exil ist nichts bekannt.

Kurze Zeit arbeitete Zimbler als Zeichnerin in einem Architekturbüro. Einen weiteren Versuch, ihre finanzielle Situation zu verbessern, unternahm sie als Gestalterin von Packpapier bei einer Papierfirma. Dort arbeitete sie nur drei Monate, da für künstlerisch gestaltetes Papier zu wenig Nachfrage bestand.

 



[1] Aus einem Brief (2.02.1992) E. Huebschers geht hervor, dass ihre Mutter auch vor dem Tod des Vaters für den Familienunterhalt sorgen musste, da dieser, um als Rechtsanwalt in den USA anerkannt zu werden, wieder studieren wollte.




 
Text als ZIP Datei herunterladen
Grösse 37 KB
 
 
zurück zum Inhaltsverzeichnis
 
zum nächsten Kapitel