3.3.2   Vorstadthäuser in Zusammenarbeit mit anderen Architekten


Das Haus Toch stellt das einzige amerikanische Beispiel eines von Liane Zimbler vollständig entworfenen Hauses dar. Bei zukünftigen Aufträgen arbeitete sie mit anderen Architekten zusammen oder es ging ausschließlich um Maßnahmen im Innenraum bereits bestehender Häuser. Da sie aber häufig bereits während des Bauprozesses hinzu gezogen wurde, konnte sie auf den Grundriss Einfluss nehmen, indem sie beispielsweise die Versetzung von Wänden oder ähnliche Änderungen anregte.

Der private Neubausektor bekam erst allmählich durch die Förderprogramme wieder Aufwind. Die Neubautätigkeit für Wohnraum verlagerte sich zunehmend auf die Randbezirke der Städte. Wer es sich leisten konnte, suchte die Kombination aus Stadt- und gleichzeitig Naturnähe. Außerdem bestand die Tendenz - hauptsächlich der weißen Mittelschicht -in den Vorstädten unter sich zu sein. Da Liane Zimblers Auftraggeber häufig diesem Kreis entstammten, nahm Zimbler am Prozess der Suburbanisierung teil. Am Beispiel des Hauses Freeman, eine Gemeinschaftsarbeit mit dem Architekten C. B. Williams von 1954, wird in der Zeitschrift „Interior Design“ das gelungene Vororthaus in kalifornischem Design gelobt:

 

„The average suburban house is an architectural hybrid (…), observable in such characteristics as roof lines, doors and windows, dormers and moldings. The current tendency in California design, however, is to have a house which is original in character and in its presentation of component qualities, and any modern composition is effected entirely in an unlabored manner, (…) in order to achieve the highly desirable air of informality and friendliness associated with California Houses. Such a house is that located in Los Angeles (…). The appeal of the house is a happy combination of the intimate beauty of its natural setting and the selectivity of the materials used in its construction. A complete program of interior designing was necessary to attain all the evident charm in the interiors of the house. Indeed it is a most successful example of its kind because it expresses a contemporary point of view both in architecture and interior design, youthful in spirit and a credit to both interior designer and architect.” [1]

 

Viele konnten es sich nicht oder nur in bescheidenem Umfang leisten, ein eigenes Haus zu bauen. Hier setzte Zimbler ihre Spezialität - Umbau zur Anpassung an veränderte Lebensumstände oder den jeweiligen „contemporary spirit“ - ein. Umbauten vorzunehmen war bei ihrer Ankunft in den USA nicht üblich. Durch derartige Eingriffe hat sie nicht nur Einfluss auf die Wohnraumgestaltung dieser Zeit genommen. Im Fall der Familie Savin, die Liane Zimbler mit kurzfristigen Veränderungen ihres Hauses beauftragte, fiel das Ergebnis so überzeugend aus, dass die Familie von ihren Umzugsplänen Abstand nahm.

Beim Küchenumbau für die Familie Feldmann von 1952 überträgt sie das Konzept der Kochschränke auf einen größeren Raum. Im ursprünglichen Zustand war ungestörtes Arbeiten nicht möglich. Die Küche lag eingeklemmt zwischen Waschküche und Vorratskammer. Insgesamt fünf Türen, die dorthin, zur Terrasse und zum Esszimmer führten, machten sie zum Durchgangszimmer. Um diese ungünstigen Voraussetzungen zu ändern, bezieht Zimbler Waschküche und Speisekammer in den Küchenraum ein. Die Türen werden teilweise versetzt und auf drei Durchgänge reduziert. Nahe der Terrassentür befinden sich jetzt Waschmaschine, Trockner und ein Behälter für Wäsche, außerdem ein Waschbecken, das ausschließlich für Gartenarbeit genutzt werden kann. Durch die zusätzlichen Wandflächen haben weit mehr Küchenschränke Platz; eine eigene Speisekammer ist nicht mehr notwendig. In der Mitte des Raums steht eine umgehbare „Insel“, die mit einer Marmorplatte abgedeckt als Arbeitsfläche dient. Zutaten und Geschirr sind so leicht erreichbar (Abb. 1/2/3).

Ein Architekt, mit dem Liane Zimbler wiederholt zusammenarbeitete, war Carl Schwarz, ein gebürtiger Wiener. Er hatte sie 1956 mit der Einrichtung seines eigenen Hauses beauftragt, das er mit einem Darlehen der erwähnten Förderprogramme finanzierte. Zimblers Vorschläge überzeugten ihn; er übertrug ihr auch bei weiteren Projekten die Innenraumgestaltung. 1961 entwarfen Zimbler und Schwarz das Haus Candianides in Ventura, Kalifornien. Es entstand ein schlichter Bungalow aus unterschiedlich hohen Kuben. Diese sind so angeordnet, dass sie einen Patio umschließen. Durch raumhohe Fenster haben Innen- und Außenraum einen engen Bezug, was durch die durchlaufende Fußbodengestaltung der Terrasse und des Wohnraums noch gesteigert wird (Abb. 4/5). Die Vorliebe für Bungalows, Patios und verschwimmende Grenzen zwischen Außen- und Innenraum findet man schon Anfang der 20er Jahre bei Rudolf Schindlers Wohnhäusern. Sie hat sich, auch dank des milden kalifornischen Klimas, langfristig gehalten. Die Möbel Liane Zimblers entsprechen der Mode der 60er Jahre: Auf der Terrasse stehen filigrane Stahlrohrsessel, im Wohnraum Möbel mit bunten großgemusterten Bezügen auf schlanken Beinen. Die Idee zu dem schwarz-weiß gestreiften feuersicheren Dach stammt von Liane Zimbler. Es besteht aus hellen und dunklen Kieseln (Abb. 6). Dieses Streifenmuster setzte Zimbler wiederholt ein. Man findet es auch auf dem Fußboden der Feldmannküche und der Veranda des Hauses Levy.

Levys wandten sich mehrfach an die Architektin. Der ursprüngliche Besitzer des Hauses hatte Zimbler der Familie empfohlen. Zwischen 1965 und 1971 gestaltete sie in Zusammenarbeit mit ihrer Tochter den Wohnraum, die Bibliothek, die Veranda, den Patio und die Zimmer der Töchter. Diese hatten sich ein Zimmer geteilt, bis durch Hinzufügen eines Ganges das ehemalige Mädchenzimmer, das nur durch die Küche erreichbar gewesen war, aufgewertet wurde. Für die Veranda, die durch einen Umbau zum Innenraum wurde, verwendete Zimbler warme Farbtöne, die in den kommenden Jahren immer wieder nachgearbeitet werden sollten (Abb. 7/8).

Eine weitere regelmäßige Kundin war die Familie Wassermann. Bei jedem Umzug oder Veränderungswunsch wurde Liane Zimbler mit der Einrichtung beauftragt. Im Haus Wassermann II gab es sowohl einen „living room“ (Abb. 9), der Repräsentationszwecken im Sinn eines Salons und weniger dem Wohnen diente, als auch einen „family room“. Dieser wurde als eigentliches Wohnzimmer genutzt (Abb. 10/11). Wahrscheinlich aus dem Haus Wassermann I stammt der Wohnraum, der durch eine Natursteinwand charakterisiert wird (Abb. 12).

Auch im Exil behielt Liane Zimbler die schlichte Formensprache der Gebäude-, Raum- und Möbelgestaltung bei. Damit entsprach sie häufig nicht der Mode, im beispielsweise spanischen oder englischen Stil zu entwerfen. Auf Aufträge angewiesen, musste Zimbler sich dennoch manchmal kompromissbereit zeigen, wenn die Klienten auf der Erfüllung ihrer Vorstellungen bestanden. Dem Wunsch nach einer Einrichtung mit englischer Note kam Zimbler beim Auftrag der Familie Boswell 1944 nach. Für die wohlhabenden Bauherren verwendete sie trotz Materialknappheit große Mengen geblümten Stoffs. Sie verarbeitete ihn zu Vorhängen, Draperien und Möbelbezügen (Abb. 13). Der ursprünglich vorgesehene Teppich wurde nicht rechtzeitig geliefert, so dass vorübergehend ein Baumwollteppich als Ersatz dienen musste. (Er fand später in Zimblers eigenem Haus Verwendung.)

Dieses Beispiel zeigt, dass Modernität und Kundenwünsche nicht immer konform gingen. Oft war ein bestimmter Stil gefragt, wie „early american“, „french provincial“ oder shaker-Möbel. Gute Kopien von Stilmöbeln waren beliebt, nicht das schlichte, zeitlose Design der neu entworfenen. Zimbler fand bei Aufträgen dieser Art ihren Weg darin, Alt und Neu zu kombinieren. Ob sie dabei viel Überzeugungskraft aufwenden musste, geht aus den Beschreibungen nicht hervor. Wenn die Vorgaben weniger strikt waren, kam Zimbler gerne wieder auf ihre Vorstellungen von Wohnlichkeit in Verbindung mit Funktionalität zurück. Ihre kooperative Art, mit Kunden umzugehen setzte sie in den USA fort. Die Zusammenarbeit empfand sie überwiegend als angenehm, da die amerikanischen Kunden unkomplizierter gewesen seien. Sie schuf sich im Lauf der Jahre einen Kreis zuverlässiger Kollegen und treuer Kunden, wie sie das auch in ihrer Wiener Zeit praktiziert hatte und was durch die Flucht unterbrochen worden war. Einige ihrer jüdischen Wiener Klienten traf sie im Exil wieder und erhielt durch sie Aufträge.


Abbildungen Kapitel 3.3.3

 

Abb. 1:           Küche Feldmann 1952, Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 2:           Küche Feldmann Grundriss vorher,

Quelle: „Gain storage with a kitchen re-do”

aus: „Better Homes and Gardens”, September 1953

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Abb. 3:           Küche Feldmann Grundriss nachher 1952,

Quelle: „Gain storage with a kitchen re-do”

aus: „Better Homes and Gardens”, September 1953

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Abb. 4:          Haus Candianides 1961 außen,

Quelle: „Visionäre & Vertriebene”, S. 294

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Abb. 5:           Haus Candianides 1961 innen,

Quelle: „Visionäre & Vertriebene”, S. 306

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Abb. 6:           Haus Candianides 1961 Dach,

Quelle: „Visionäre & Vertriebene”, S. 306

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Abb. 7:           Haus Levy Terrasse 1965-1971,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 8:           Haus Levy ehem. Veranda 1965-1971,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 9:           Haus Wassermann II living-room, Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 10:           Haus Wassermann II Skizze family-room vorher,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 11:          Haus Wassermann II Skizze family-room nachher 1975,

Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 12:          Haus Wassermann I living-room, Quelle: privat S. Plakolm-Forsthuber

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Abb. 13:           Haus Boswell Salon um 1944, Quelle: „Visionäre & Vertriebene”, S. 305

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[1] Aus “Interior Design”, S. 106, September 1955, ohne Autor




 
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